Eine zitternde Hand umklammert den Hörer, während die an- dere schweißnass eine Nummer wählt. Dann quälende Unsi- cherheit als das Freizeichen ertönt. Das Herz hämmert im Brust- korb, der Kloß im Hals schwillt an... Als sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung meldet, zuckt ein stechender Schmerz durch unsere Magengegend. Mit letzter Kraft verzerren wir das Gesicht zu einem Lächeln, lassen unsere schönste Entertainer- stimme erklingen und spulen mit Spontanität und Leichtigkeit unseren Telefonleitfaden ab.
Was für ein heroischer Akt der Selbstüberwindung!
Kaum eine Aktivität im Vertrieb ist so angstbesetzt wie die Telefonakquise. Kein Wunder! Schließlich erlauben wir dabei wildfremden Personen uns misszuverstehen, abzuwürgen, zurückzuweisen und (im schlimmsten Fall) zu beleidigen.
Gleichzeitig hält sich hartnäckig das Gerücht, wir müssten dabei um jeden Preis glücklich und aktivierend wirken und wie manische Clowns herumhampeln um erfolgreich zu sein.
Das Gegenteil ist der Fall. An der exaltierten Stimmlage des Anrufers erkennt der Zielkunde sofort, dass es sich um kein informatives Gespräch sondern um einen Akquiseanruf mit eigennütziger Absicht handelt. Schließlich klingt die Stimme genauso wie die Werbesendungen im Radio. Daraus leitet unser Ansprechpartner folgerichtig ab, dass der Inhalt desTelefonats bedeutungslos ist und die Beschäftigung mit uns eine reine Zeitverschwendung. Nur fair, dass er uns abwimmelt oder einfach auflegt.Schließlich steht unser potenzieller Kunde genauso unter Stress wie wir und hat jeden Tag einen Haufen Probleme zu bewältigen.
Was spricht eigentlich dagegen, diese alltäglichen Schwierigkeiten anzusprechen, also den ENGPASS des Kunden am Telefon zu thematisieren, anstatt künstlich gute Laune zu verbreiten und Lösungen anzupreisen, die niemanden interessieren? Warum nicht erst einmal (typisch österreichisch) das PROBLEM lautstark beklagen?
Die Methode der engpasskonzentrierten Telefonakquise hat gegenüber der Spaßmacher-Telefonie zwei entscheidende Vorteile: Erstens entlastet sie den Verkäufer, weil er authentisch schlecht gelaunt sein kann. Zweitens entlastet sie die Zielperson, weil es um etwas geht, das ihr tatsächlich wichtig ist.
Die einzige Voraussetzung ist, dass das Leistungsangebot des Verkäufers mit dem drängenden Problem einer Zielgruppe klar korrespondiert. Wie Aspirin mit Kopfschmerz oder Wagenhe- ber mit platten Autoreifen. Idealerweise handelt es sich dabei um einen quälenden Engpass, der in der Teeküche der Zielkunden lautstark diskutiert wird und deretwegen Entscheider nachts nicht schlafen können...
Ernst Huber verkauft Druck- und Kopiersysteme. Seine Ziel- kunden sind BüroleiterInnen in Unternehmen ab 30 Verwaltungsmitarbeitern. Ungefähr so könnte sein engpasszentriertes Verkaufsgespräch aussehen, wenn er an eine Zielperson gerät, deren Problem perfekt zu seiner Leistung passt:
Ernst (mit leicht belegter Stimme):
„Guten Tag, mein Name ist Ernst Huber, Firma Wenger Bürosysteme aus Purbach."
Büroleiterin (ungeduldig):
„Ja worum geht's denn?“
Ernst (seufzt und erzählt schüchtern):
„Ich rufe Sie an, weil mir meine Kunden immer wieder erzählen, dass sie solche Schwierigkeiten mit den vernetzten Druckern haben. Wenn da einmal das Wlan ausfällt steht alles. Ja und jetzt wollt ich Sie einfach mal fragen, welche Erfahrungen Sie damit gemacht haben?“
Büroleiterin (beginnt zögerlich und kommt dann in Fahrt):
„Ja die ewigen Scherereien mit den Druckern. Eine echte Frechheit! Die haben uns in einen 5-Jahresvertrag gezwungen und wenn jetzt das System ausfällt dauert es tagelang bis wir Hilfe bekommen.“
Ernst (regt sich authentisch mit ihr auf ):
„Das ist ja eine Katastrophe! Wie gehen Sie denn damit um, wenn das jedes Mal so lange dauert? Eine Kundin von mir musste wegen einer dringenden Präsentation sogar einmal zum Copyshop fahren...“
Büroleiterin:
„Wir rennen jedes Mal in den dritten Stock und drucken bei den Kollegen, ein unhaltbarer Zustand. (...)“
Ernst (nachdem das Problem ausführlich beklagt wurde):
„Was halten Sie davon, wenn wir uns einfach mal gemeinsam anschauen ob wir das nicht technisch lösen können? Am Dienstag um 10 Uhr, passt das für Sie?“
Büroleiterin (verwirrt):
„Ähh, ja gerne. Aber...wie heißen Sie noch einmal und was bieten Sie eigentlich genau an?“